Lass uns eine Überraschung daraus machen, beendeten wir zufrieden das Telefonat. Es war Jörg, der ehrenamtliche Sterbebegleiter des 88 Jahre alten Herrn, der immer aufgelöst war, wenn er von seinem Hund erzählte, der viele Jahre vorher schon verstorben war. Ich freu mich so sehr, mit meiner Jenny das Überraschungsei zu sein, dachte ich. Jenny ist eine Deutsche Schäferhündin, die als Therapiehunde schon einige Jahre arbeitet.

Nichts Gutes verhieß jedoch der Beginn des Besuches. „Es geht ihm nicht gut und er hat Atembeschwerden.“, hieß es als ich mit Jenny vor der Haustür wartete. Wir schauen, dachte ich. Ich weiß, welche Wirkung Hunde auf Menschen haben können. Und ich vertraute ganz auf Jenny – sie würde das schon machen. Dann stand sie vor ihm: Der alte Herr mit seinen Krücken saß auf einem winzigen Balkon auf seinem Stuhl eingekesselt. Das ist die Überraschung, sagte Jörg. Der alte Mann war hoch erfreut: „Sie sieht aus wie meine Anka!“ Als Jenny ihn begrüßte, begann er zu weinen. Doch er weinte keine Tränen der Trauer oder des Verlustes, sondern Tränen der Freude. Immer wieder nahm er Jennys Kopf zwischen seine Hände und küsste sie. Alles war in diesen Momenten vergessen. Atembeschwerden. Das schwere Herz. Die Einsamkeit. Das Gefühl um das Ende eines Lebensweges. Da war nur Jenny und er.

Viele Leckerchen, Kunststücke, Begeisterungsrufe und Streicheleinheiten später stand der Mann auf. Er ging auf den kleinen freien Platz im Wohnzimmer, streichelte Jenny und liebkoste sie. Seine Krücken lagen achtlos auf dem Boden. Er brauchte sie nicht. Dann setzte und legte er sich gar auf dem Boden. Jenny und er. Die Welt um ihn war vergessen. Ich beobachtete das Geschehen und spürte, dass da momentan kein Raum für jemand anderes war, als für diesen alten Mann und diese Hündin. Er war versunken. In einer Welt, in der gerade alles in Ordnung war. Und Jenny gehörte dazu.

Als ich ging, fragte ich den alten Mann, ob wir ihm eine Freude machen konnten. Er antwortete: „Nicht nur eine Freude. Es ist etwas, dass ins Herz geht und im Herzen bleibt.“

 

Claudia Hauer

Sterbebegleiterin des Johannes-Hospiz &

Feel4dogs, Tiergestützte Therapie