Das Leben mit Tieren schreibt jeden Tag neue Geschichten. Manchmal sind es so viele, dass ich noch abends von den Eindrücken ganz atemlos bin und Mühe habe, alles zu ordnen und zu „verwalten“.

Heute möchte ich euch vom schwarzen Hennenküken erzählen. Immer wieder brüten meine Hennen Küken aus, die dann mit ihren Müttern und der tierischen Gemeinschaft frei im Garten ihre Kindheit verbringen. Das schwarze Küken hat es mir besonders angetan. Das Schwarz des Gefieders wirkt trotz der düsteren Farbe weich und warm. Es hat Locken und es ist ein Mädchen.

Gerade kürzlich hat sich Mama Henne von ihrem Nachwuchs getrennt und die drei Küken dieser Aufzucht müssen nun alleine klar kommen. Für die Kleinen ist das immer eine schreckliche Zeit des Umgewöhnens. Urplötzlich und ohne Ankündigung, quasi von jetzt auf gleich, werden sie von einem Extrem (Überbehüten) ins Nächste (sei eigenständig!) geworfen. Es gibt viele Geschichten, in denen die Tiere das gut meistern, doch genauso gut gibt es Individiuen, denen die Umgewöhnung schwer fällt.

Dem schwarzen Hennenküken fällt es besonders schwer, ohne Mama zu sein und keine Führung zu haben. Es wirkt derzeit etwas kopflos, was sich in einzelnen Situationen zeigt:

Jeden Morgen öffne ich die Türe des Auslaufes und eine Bande fröhlicher Halbwüchsiger, Kleiner und Großer stürzen in Windeseile hinaus in die Freiheit des Gartens. Nur bei Regen bleibt die Türe zu.

Als ich heute früh die Türe öffnete, war alles wie immer. Doch bald hörte ich es Piepsen und laut Wehklagen. Ich wartete einen Moment ab, ehe ich nach dem Rechten sah. Das schwarze Hennenküken lief wild wie eine Gefangene in der Ecke des Auslaufes auf und ab, seine Geschwister im sehnsuchtsvollem Blick, die draußen fröhlich an Mahonie-Beeren naschten. Die Türe war weit auf gesperrt und es hätte nur hinauslaufen müssen. Chaos und Angst im Kopf sorgten jedoch dafür, dass es den Weg nicht fand und lauthals über diesen Zustand jammerte und klagte.

Ich nahm meinen „Hühner-Führ-Stab“ und lenkte das Küken nach draußen. Es verließ das Gehege panisch schielend auf den Stab und mich mit den Worten „Ich wusste, ich werde jetzt getötet und mir wird Schlimmes geschehen.“ Dann fand es den Weg in die Freiheit und eilte seinen Geschwistern entgegen.

Wie oft stecken wir in ebenjener „Zwangslage“? Wie oft verhalten wir uns wie jenes Hennenküken, gefangen in den eigenen Konstrukten unseres Geistes, der uns Fesseln anlegt? Dabei ist alles ganz einfach: Denn in Wirklichkeit sind wir selbst die Wärter der Fesseln und ließen wir los, könnte ein jeder von uns in die Weite und Freiheit hinausspazieren. In mancher Gedanken- und Gefühlslage ist es uns aber unmöglich, die Tür zu sehen, durch die wir einfach hindurchgehen könnten. Und ist es wirklich am Ende so schlimm, wenn ein Gegenüber mal Klartext redet, auch wenn es unbequem ist? Natürlich ist dieser äußere Anstoß unbequem und unangenehm, doch dann bewirkt er durch eigenes Zutun ein glückliches Ende.

 

Eure Claudia